Bebauungspläne oder- Was darf wo gebaut werden?
In Deutschland wird im Rahmen von Bebauungsplänen geregelt, was und wie in einer Ortschaft gebaut werden darf. Rechtlich verpflichtend ist die Aufstellung eines Bebauungsplanes nicht. Das ist auch nachvollziehbar, denn in ganz Deutschland sind über Jahrhunderte Altstadtbereiche gewachsen, die sich ganz ohne Bebauungspläne entwickelt haben. Will man heute in einem Bereich bauen, für den es keinen Bebauungsplan gibt, gilt § 34 des Baugesetzbuches:
„Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.“
Als im Jahr 1711 der Grundstein für Neulußheim gelegt wurde, gab es schon sehr früh einen Plan, aus dem die Anordnung der ersten Häuser entlang der bereits vorhandenen Verkehrsachsen hervorgeht. (Zu sehen ist dieser Plan in der Heimatstube des Heimatvereins im Erdgeschoss des Alten Bahnhofs, ein Besuch lohnt!). Dieser Plan war aber natürlich kein Bebauungsplan, der die aktuellen rechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Ein solcher Bebauungsplan wurde für das alte Ortsgebiet von Neulußheim im Jahr 1996 verabschiedet. Zu finden ist dieser über die homepage der Gemeinde/Bereich Wirtschaft und Umwelt/Bebauungspläne. Dort finden sich auch die übrigen, allgemein gültigen Bebauungspläne für die anderen Ortsgebiete.
Da der Ortskern zum Zeitpunkt der Erstellung des Bebauungsplanes im Prinzip schon komplett bebaut war, orientieren sich die Bestimmungen des Bebauungsplanes daher an der bestehenden Bebauung. In den 4 Hauptstraßen findet man Häuser mit einem, zwei oder drei Vollgeschossen. Demzufolge dürfen hier Gebäude mit maximal 3 Vollgeschossen gebaut werden. Auch orientieren sich die Baufenster an der bestehenden Bebauung, die in den Hauptstraßen in der Regel bis an die Gehwegkante reicht. Ein Bauinteressent hat daher die Möglichkeit, ein altes, 1 ½ geschossiges Haus abzureißen und an gleicher Stelle ein 3-geschossiges Haus zu bauen.
An der Ecke Altlußheimer Straße/Tullastraße ist genau dies passiert: ein Bauherr hat die beiden alten Häuser gekauft, diese abgerissen und will nun an gleicher Stelle ein Wohnhaus mit drei Geschossen bauen. Das macht auch Sinn, denn die Nachfrage nach Wohnraum ist in Neulußheim ungebrochen. Von Gemeindeseite wurde nun die Bitte an den Investor herangetragen, das bestehende Baufenster angrenzend an die Tullastraße nicht komplett auszunutzen, damit der schmale Gehweg an dieser Stelle verbreitert werden kann. Im Gegenzug hat der Bauherr in seinen Planungen den Bau Richtung Süden etwas vergrößert. Die notwendigen Stellplätze sind im hinteren (südlichen) Grundstücksbereich vorgesehen. Dort ist laut bestehendem Bebauungsplan eine Bebauung in 2. Reihe erlaubt, nicht jedoch Stellplätze.
Nach längerer Planungszeit und vielen Diskussionen im Gemeinderat wurde jetzt in der Gemeinderatssitzung vom 14.03.2019 mehrheitlich ein vorhabenbezogener Bebauungsplan auf den Weg gebracht, damit die Bebauung wie geplant erfolgen kann.
Ich habe für diesen Plan gestimmt, da hier ein fairer Interessenausgleich zwischen dem Wunsch der Gemeinde (mehr Platz im Gehwegbereich) und dem des Bauherrn (das Baufenster optimal ausnutzen) gefunden wurde. Die entstehende Bebauung passt zur Umgebungsbebauung, außerdem wird dringend benötigter Wohnraum geschaffen.
Der ganze Genehmigungsprozess im Gemeinderat hat sich nun aber über rd. 2 Jahre hingezogen.
Beim Thema fehlender Wohnraum hört man regelmäßig die Klage, dass sich die Planungsprozesse in Deutschland so lange hinziehen. Das geschilderte Bauvorhaben in Neulußheim ist ein Beleg dafür, dass diese Klage in vielen Fällen durchaus berechtigt ist.